Kapitel 22

Das Knacken von Ästen riss mich aus meinen Gedanken und mein Herz blieb fast stehen, als zwei Wölfe die Lichtung betraten. Ich hatte noch nie Wölfe persönlich gesehen, nur auf Bildern und in Filmen. Ich war mir sicher, dass Wölfe von Natur aus nicht so groß sind. Die beiden waren fast identisch, beide hatten die Farbe von Mitternacht. Ihr Fell war glänzend und schimmernd. Ich hatte erwartet, dass Wölfe viel schmutziger aussehen würden, da sie im Wald leben und so. Obwohl ich nicht sicher war, wo Wölfe geographisch vorkommen, war ich mir auch ziemlich sicher, dass Wölfe nicht in Georgia leben. Was mich noch mehr beunruhigte, war, dass ich keine Angst hatte. Es war, als hätten mein Geist und mein Körper meinen Tod einfach als unvermeidlich akzeptiert.

In Gedanken ging ich das Szenario durch. Aurora wird von Wölfen gefressen. Grace würde wahrscheinlich vor Freude tanzen, während Tori und die Zwillinge sich fragten, was mit mir passiert war. Würde Melissa es überhaupt bemerken, wenn ich nicht nach Hause kam? Haben die Wölfe irgendwelche Essensreste hinterlassen?

Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkt hatte, dass die beiden Wölfe nur sechs Meter entfernt saßen und mich einfach anstarrten, als wäre ich die Anomalie. Die Blicke der beiden Wölfe trafen sich für einen Moment und starrten mich dann weiter an.

„Werdet ihr mich fressen oder nicht?“, schnaubte ich.

Klar, ich kam mir dumm vor. Ich sprach mit zwei riesigen und angeblich gewalttätigen Tieren, aber sie starrten mich einfach nur an. In meinem Hinterkopf hatte ich beschlossen, dass es kein schlechter Tod wäre, von Wölfen gefressen zu werden. Schmerzhaft auf viele verschiedene Arten. Stark und gutaussehend, als Geheimagent oder internationaler Spion tätig. Sein Job war der Grund, warum er meine Mutter verlassen hatte, mich verlassen hatte und nie wieder zurückgekehrt war. Mein kindlicher Verstand hatte sich alle möglichen Entschuldigungen für sein Verhalten ausgedacht. Es dauerte so lange, bis ich begriff, dass es den Leuten einfach egal war. Sie kümmerten sich nicht um ihre Ehepartner, ihre Familie oder ihre Kinder. Letztendlich musste man auf sich selbst aufpassen, sich auf jemand anderen zu verlassen, war ein vorprogrammiertes gebrochenes Herz.