Kapitel 1 Hochzeitsnacht
„ Es wird spät. Lass uns ins Bett gehen.“ Die tiefe Stimme des Mannes riss Calliope Gingrich aus ihren Träumen.
Sie hob den Blick und begegnete seinem dunklen Blick, der von einer Vielzahl von Gefühlen überzufließen schien, die sie nicht begreifen konnte.
Calliope packte den Saum ihres Kleides, während ihr Herz vor Vorfreude zu rasen begann.
Nachdem sie das Zimmer betreten hatte, ließ sie sich vorsichtig auf die Bettkante nieder und blieb dort mit steifem Körper liegen.
Die Zeit verging und sie unternahm keine Anstalten, ihr Hochzeitskleid auszuziehen, sondern behielt es lieber an.
Erst als der Mann aus der Dusche stieg, dämmerte ihr, dass sie ihre Hochzeitsnacht zusammen verbringen würden.
Calliope war ratlos, was den Umgang mit ihrem neuen Ehemann betraf.
Schließlich war sie in die Rolle seiner Frau gedrängt worden und hatte den Platz einer anderen Person eingenommen.
Als uneheliche Tochter einer wohlhabenden Familie musste sie anstelle ihrer Schwester Penelope Gingrich einen armen Mann heiraten, um die Heiratsvereinbarung der vorherigen Generation zu erfüllen.
Als Gegenleistung für ihr Einverständnis wurde ihr eine beträchtliche Summe als Mitgift versprochen.
Mit dem Geld konnte sie sowohl die medizinischen Kosten ihrer Mutter als auch das Schulgeld ihres jüngeren Bruders bezahlen.
Für die Familie war dies die einzige Möglichkeit, finanziell über die Runden zu kommen.
Calliope holte tief Luft und machte sich schüchtern auf den Weg zur Toilette.
„ I-ich gehe duschen.“ Der Blick des Mannes verfinsterte sich bei ihren Worten.
Calliope schlüpfte hastig ins Badezimmer und griff mit der Hand nach der Türklinke. Doch dann stellte sie fest, dass die alte Holztür kein Schloss hatte.
Diese Entdeckung kam für sie überraschend.
Obwohl sie es gewohnt war, schwierige Zeiten zu ertragen, war sie nie so arm.
Ihre Augen wurden leicht rot, als sie im Badezimmer stehen blieb, ein sichtbares Zeichen ihres inneren Konflikts.
Die Minuten vergingen, aber sie brachte es nicht übers Herz, aus ihrem Kleid zu schlüpfen.
Als hätte er ihr Dilemma gespürt, erklärte der Mann plötzlich: „Ich gehe raus, um eine Zigarette zu rauchen, also lassen Sie sich Zeit.“ Calliope spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug, als sie ihr Ohr an die Tür presste.
Sie hörte, wie seine Schritte allmählich in der Ferne verklangen, bis sie verschwunden waren.
Die Tür schloss sich mit einem Klicken, und schließlich herrschte Stille.
Das an der Wand klebende rote Dekor bildete einen starken Kontrast zu der abblätternden Farbe, die den vernachlässigten Zustand des Hauses auf spöttische Weise widerzuspiegeln schien.
Am Tag vor der Hochzeit fegte ein heftiger Taifun durch die Stadt und hinterließ eine Spur der Verwüstung.
Bäume waren entwurzelt worden und Äste lagen verstreut auf den Straßen. Zerbrochene Werbetafeln trugen zum Chaos bei.
Trotz des Chaos schloss Calliope mit diesem Mann den Bund fürs Leben.
Es gab kein großes Hochzeitsauto, um sie abzuholen.
Stattdessen musste sie einen weiten Weg zu einem einfachen Lieferwagen zurücklegen, der sie in ein ländliches Dorf brachte.
Die Reise schien ewig zu dauern.
Bei der Ankunft hinterließ der schlammige Weg Flecken auf ihren Schuhen und ihrem Hochzeitskleid.
Die ältere Generation glaubte, dass ein Paar, das bei diesem Wetter den Bund fürs Leben schließt, kein Eheglück erleben würde.
Calliope war jedoch das Eheglück egal.
Bald verließ sie das Badezimmer, während sie ihre Haare trocknete.
Ihr Mann blieb noch immer draußen stehen und brauchte übermäßig viel Zeit, um seine Zigarette zu Ende zu rauchen.
Calliope hielt inne, um den Anblick des Hauses zu genießen.
Ihr fiel auf, dass die Dächer reparaturbedürftig waren, da an mehreren Stellen Regenwasser durchsickerte.
Obwohl die Wohnung etwas heruntergekommen war, war sie entschlossen, sie durch eine gründliche Reinigung bewohnbar zu machen.
Calliopes Lippen verzogen sich, als sie schnell den Raum aufräumte, bevor der Mann zurückkam.
Als sie auf der Bettkante kniete und mit den Händen langsam die zerknitterte Decke zurückzog, machte ihr das Geräusch der quietschend aufgehenden Tür bewusst, dass der Mann zurückgekehrt war.
Calliope wirbelte herum, ihre Bewegung war so plötzlich, dass das Handtuch, das ihren nackten Körper bedeckt hatte, herunterrutschte.
Sie schrie vor Angst auf und verschränkte instinktiv die Arme vor der Brust.
Der Mann hatte jedoch alles gesehen.
Calliopes Herz raste, während ihre Wangen leuchtend rosa wurden.
Schnell schnappte sie sich die Decke und zog sie über ihren Körper.
Der Mann schluckte, als der Blick in seinen Augen dunkel und kompliziert wurde.
Langsam stapfte er zu ihr und sprach mit tiefer, heiserer Stimme.
„ Es ist spät, also sollten wir schlafen.“ Diesmal betonte er bewusst das Wort „wir“. Calliopes Herz hämmerte in ihrer Brust.
Ihre Augen waren fest geschlossen, als sie spürte, wie sich ein Paar Arme fest um ihren Körper schlangen.
Sie spürte, wie ihr Körper in seiner Umarmung dahinschmolz, als er sie aufs Bett drückte.